Raumplanung und Recht

Wie wird die Nutzung der deutschen Nordsee geplant und koordiniert?

Die deutsche Nordsee wird intensiv genutzt. Zu den Nutzungen gehören zum Beispiel Schifffahrt, Fischerei, Sand- und Kiesabbau und die Stromproduktion in Windkraftanlagen. Zudem sind große Gebiete der deutschen Nordsee als Naturschutzgebiete sowie als Vorranggebiete für z.B. Schweinswale ausgewiesen.

Die Raumplanung im Meeresraum berücksichtigt solche verschiedenen Nutzungsinteressen und Schutzansprüche. Durch die Raumplanung sollen vorhandene Nutzungskonflikte minimiert und es soll zukünftigen Problemen vorgebeugt werden. Zudem müssen politische Ziele, z.B. zum Ausbau der erneuerbaren Energien, beachtet werden. Eine Besonderheit bei der Meeresraumplanung ist die Dreidimensionalität des Meeresraumes, d.h. es müssen die Nutzungsmöglichkeiten und Schutzerfordernisse von Luft, Wasser und Meeresboden berücksichtigt werden. Die Meeresraumplanung für die deutschen Meere (AWZ) wird vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) koordiniert. Im Jahr 2021 ist ein neuer Raumordnungsplan für die AWZ in Kraft getreten. Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten des tieferen Untergrundes, wie eine CO2– oder H2-Speicherung, die ggf. auch an einem Ort in verschiedenen Tiefen erfolgen könnten, wurden darin nicht berücksichtigt.

Wie kann die CO2-Speicherung in die Raumplanung der deutschen Nordsee integriert werden?

Aufgrund der bereits vorhandenen, intensiven Nutzung der deutschen Nordsee und der Existenz von Naturschutz- bzw. Meeresschutzgebieten müssen potenzielle CO2-Speicherstandorte in eine Raumplanung für das Meeresgebiet integriert werden. Im GEOSTOR-Projekt wird untersucht, wie diese Integration erfolgen kann. Die Untersuchungen werden exemplarisch für die beiden GEOSTOR-Standorte durchgeführt (Geologie).

Dazu wird zunächst analysiert, welche Schutzansprüche und weiteren Nutzungsinteressen in diesen Gebieten vorliegen bzw. zukünftig vorliegen könnten, falls z.B. weitere Nutzungen des tieferen Untergrundes dort erfolgen sollen. Anschließend werden Möglichkeiten erarbeitet, wie ein CO2-Speicher in einer Raumplanung für das Meeresgebiet berücksichtigt werden könnte und wie mit eventuell auftretenden Nutzungskonkurrenzen umgegangen werden kann. Dabei werden die Ergebnisse der anderen GEOSTOR-Themengebiete herangezogen. Des Weiteren sollen Strategien zur Minderung bzw. Lösung der Konflikte erarbeitet werden. Dazu könnten z. B. die Minimierung der Lärmbelastung von Meeressäugern durch den Einsatz neuer Monitoring-Verfahren oder „stockwerksweise“ Nutzungen des Meeresgebietsund seines tieferen Untergrundes gehören.

Team:

Heike Rütters (BGR)

Alexander Proelß (UHH)

Weiterführende Informationen:

BSH – Meeresraumplanung

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen bei der CO2-Speicherung im Untergrund der deutschen Nordsee berücksichtigt werden?

Das Meer und der Meeresboden (einschließlich des tieferen Untergrundes) sind in Rechtsräume mit verschiedenen Zuständigkeiten eingeteilt. Je weiter man sich von der Küste in Richtung Hohe See entfernt, desto weniger Befugnisse (Hoheitsrechte) hat der Staat. Während innere Gewässer (die landwärts der Basislinie gelegenen Meeresgewässer) und Küstenmeer (die ersten zwölf Seemeilen des Meeres von der Basislinie gemessen) zum Staatsgebiet gehören und also staatlicher Souveränität unterliegen, darf die Bundesrepublik Deutschland in der sich bis zu 200 Seemeilen von den Basislinien ausdehnenden Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf dem Festlandsockel (d.h. der unterseeischen Verlängerung des Landgebiets) von Völkerrechts wegen nur einzelne souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse ausüben.

Diese beziehen sich primär auf die Bewirtschaftung und Ausbeutung und der lebenden und nichtlebenden Ressourcen, darüber hinaus aber auch auf die Errichtung und den Betrieb von Anlagen und Bauwerken sowie den Meeresumweltschutz. Innerhalb Deutschlands richtet sich die Aufteilung der Gesetzgebungs- und der Verwaltungszuständigkeiten nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Eine schematische Zuweisung entsprechender Befugnisse an die Länder (bzgl. innerer Gewässer und Küstenmeer) bzw. den Bund (bzgl. AWZ und Festlandsockel) gibt es nicht. Dessen ungeachtet fallen die Gesetzgebungszuständigkeiten überwiegend in die Sphäre des Bundes. Auf Grundlage einer bundesrechtlichen Ermächtigung mit dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) haben die norddeutschen Küstenländer die Speicherung von CO2 im Untergrund der inneren Gewässer und des Küstenmeers – auch zur Erforschung, Erprobung und Demonstration von Technologien – untersagt. Für die deutsche AWZ ist die Situation zurzeit durch Rechtsunsicherheit gekennzeichnet.

Im GEOSTOR-Projekt werden zunächst völkerrechtliche Anforderungen geprüft und analysiert, die für die unterirdische Speicherung von CO2 in der deutschen AWZ bzw. auf dem deutschen Festlandsockel berücksichtigt werden müssen. In einem nächsten Schritt werden die Europa- und nationalrechtlichen Anforderungen an die CO2-Speicherung in der AWZ unter Beachtung der entsprechenden EU-Richtlinien geprüft. Dabei spielt das KSpG eine entscheidende Rolle. Dieses Gesetz war ursprünglich nur auf Demonstrationsprojekte anwendbar, die bis zum Jahr 2016 genehmigt werden sollten. Da die Frist für die Beantragung von CO2-Speicherprojekten abgelaufen ist, ist derzeit unklar, ob und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage zukünftige Projekte genehmigt werden könnten.

Nach dem KSpG (§7 Abs. 1 Nr. 7) wird eine für die „Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung zur Errichtung von CO2-Speichern“ erforderliche Genehmigung nur erteilt, wenn die Meeresumwelt, die Schifffahrt, die Fischerei, der Betrieb von Offshore-Infrastrukturen (z. B. Unterwasserkabel, Rohrleitungen) und die Meeresforschung nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigen werden. Die Terminologie dieser Vorschrift stammt aus dem Bundesbergrecht und steht auch im Zusammenhang mit der Planung von Meeresschutzgebieten. Sinn und Zweck des §7 Abs. 1 Nr. 7 KSpG ist neben dem Schutz der Meeresumwelt, Konflikte zwischen der Erprobung und Demonstration der CO2-Speicherung einerseits und anderen Nutzungen der Nordsee andererseits zu vermeiden.

Weitere Anforderungen und Bedingungen aus dem KSpG, die CO2-Speicher im Allgemeinen betreffen, sind auch auf Speicher im Untergrund der Nordsee anzuwenden. Diese beinhalten unter anderem die Anforderungen an CO2-Speicher, deren Erkundung und Überwachung oder den Umgang mit existierenden Bohrungen. Wie diese Anforderungen erfüllt werden können, ist mangels Präzidenzfall und Rechtsverordnungen noch unklar. Kriterien werden in den Anlagen des Gesetzes genannt. Methoden und deren geotechnische Anwendung sind aber nicht gesetzlich geregelt. Dazu gibt es Vorschläge, die von internationalen Gremien oder in Forschungsprojekten erarbeitet wurden. Im Projekt GEOSTOR sollen die rechtlichen Anforderungen an die Speicherung mit solchen Konzepten und Vorschlägen verglichen werden, um die Tauglichkeit der derzeit verfügbaren Geotechnik für die Anwendung des KSpG im marinen Bereich zu überprüfen und daraus ggf. Handlungsbedarf und Empfehlungen abzuleiten. Dabei werden die GEOSTOR-Forschungsergebnisse aus den Bereichen Geologie, Umwelt, Monitoring, Kosten und Raumplanung berücksichtigt. 

Literatur

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UBA (2015) Unterirdische Raumplanung – Vorschläge des Umweltschutzes zur Verbesserung der über- und untertägigen Informationsgrundlagen, zur Ausgestaltung des Planungsinstrumentariums und zur nachhaltigen Lösung von Nutzungskonflikten. Teilvorhaben 2: Planerische und rechtliche Aspekte, UBA-Texte 57/2015.